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Bitterstoffe – Warum uns bitterer Geschmack erhalten bleiben muss

Bitterstoffe - Warum uns bitterer Geschmack erhalten bleiben muss|© Africa Studio @ Shutterstock

Wann hast du das letzte Mal ganz beherzt in ein Stück Grapefruit gebissen? Wahrscheinlich ist es lange her. Vielleicht hast du es aus Vernunft getan, um den Vitamin C Haushalt aufzufrischen und dir einen Löffel Industriezucker auf die Zitrusfrucht gehäuft, damit sie nicht allzu bitter schmeckt.

Eben das ist schade, denn diese Bitterstoffe, die Grapefruit, Endiviensalat und grünem Tee ihren bitteren Geschmack verleihen, bergen enormes gesundheitliches Potenzial. Sie machen uns trotz geringer Kalorien schnell satt, außerdem regen sie die Verdauung an und machen Speisen verträglicher. Laut Professor Reinhard Saller, Direktor des Instituts für Naturheilkunde der Universität Zürich stärken sie darüber hinaus das Immunsystem und können sogar teilweise wie ein natürliches Antidepressivum fungieren.

Die traditionelle Medizin unterschiedlicher Kulturkreise misst den Bitterstoffen daher eine große Bedeutung bei und zählt sie zu den wichtigsten Indikatoren für ein gesundes und langes Leben. Obwohl bereits die mittelalterliche Benediktinerin Hildegard von Bingen bei Magenbeschwerden zu einer Wermutkur riet, ist diese Erkenntnis in westlichen Kulturkreisen wieder in Vergessenheit geraten.

Warum der natürliche Appetitzügler von unserem Speiseplan verschwindet

Es ist bedauerlich, dass wir vor dem bitteren Geschmack zurückschrecken, denn würden wir mehr Bitterstoffe zu uns nehmen, hätten wir ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem weniger. Inzwischen ist laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts jeder zweite Deutsche übergewichtig. Ein erhöhter BMI ist für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf Erkrankungen ausschlaggebend. Dass dir bei Bitterem schnell der Appetit vergeht, ist an dieser Stelle also ein großer Vorteil, denn wir essen automatisch weniger. Hinzu kommt, dass bitter schmeckende Lebensmittel häufig besonders wenige Kalorien enthalten.

“Sauer macht lustig, bitter macht schlank. Warum wir viel mehr #Bitterstoffe essen sollten.“

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Doch mild und lieblich schmeckt es uns gemeinhin besser. Aus diesem Grund ist die Industrie fortwährend bemüht, unsere Gaumen von der Bitterkeit zu befreien und stattdessen mit Zucker, Süß- und Aromastoffen zu täuschen.

Bitterkeit als Wunderwaffe, die das Übel an der Wurzel packt

Dabei sind die Bitterstoffe aus Gemüse, Früchten oder Salat, gegen die wir anzüchten, rundum nützlich und fungieren wie eine Selbstverteidigungswaffe der Pflanze gegen Fraßfeinde. Was diese schützt, ist auch für uns Menschen richtig gesund, denn die Bitterstoffe wirken gegen Bakterien, Krebs sowie Entzündungen und senken den Cholesterin-Wert.

Doch auch wir Menschen haben einen natürlichen Schutzmechanismus gegen den bitteren Geschmack. Schlagen die Bitterrezeptoren auf der Zunge Alarm, erhält das Gehirn ein warnendes Signal. Der Widerwille, der uns überkommt, lässt uns den Appetit vergehen. Und tatsächlich gibt es auch Bitterstoffe, die uns weniger bekommen, wie etwa das Alpha-Tomatin in unreifen Tomaten oder das Solanin in grünen Kartoffeln. Da unsere Zunge keinen Unterschied zwischen „guten“ und „schlechten“ Bitterstoffen macht, ist unsere vernünftige Entscheidungsgewalt gefragt.

Unsere Vernunft ist es auch, die uns den natürlichen Abwehrmechanismus des eigenen Körpers zu unseren Gunsten nutzen lässt. Eine Studie mit 520 Übergewichtigen aus dem Jahr 2003 ergab, dass diejenigen Probanden, welche über drei Monate gezielt ein bitterstoffreiches Konzentrat aus Wildkräutern zu sich nahmen, im Durchschnitt 4,1 Kilogramm verloren. Wir selbst können demnach wieder lernen, bittere Nuancen zu schmecken, in unser Essen zu integrieren und somit gemäßigt zu essen.

Die Zuckermaske absetzen – Reizschwelle überwinden und Bitterstoffe schätzen

Wie dringend wir dies tun sollten, hat eine Studie der Rutgers University in New Jersey gezeigt. Das überraschende Ergebnis der Untersuchung: Menschen, die ein ausgeprägtes Bitterempfinden an den Tag legen, sind um etwa 20 Prozent dünner als die, welche nur ein schwaches Gespür für diese Geschmacksrichtung haben. Nur etwa ein Viertel der Erwachsenen sind demnach so genannte „Tasters“. „Non-Tasters” hingegen neigen laut Studienleiterin Beverly Tepper zu fetten und süßen Mahlzeiten.

“Wer aufhört, bitteren Geschmack mit Zucker zu maskieren, wird reich belohnt. #Bitterstoffe“

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Die gute Nachricht aber lautet: Auch wer lieber zu einem süßen Snack greift, kann sein Geschmacksempfinden trainieren. Unsere Bitterrezeptoren sind genetisch festgelegt und können wachgerüttelt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass wir aufhören, Bitteres mit Süßem zu überdecken. Wer beispielsweise seinen Kaffee schwarz trinkt und einen Endiviensalat nicht in einem zuckrigen Dressing ertränkt, geht den richtigen Weg.
In welchen Lebensmitteln stecken Bitterstoffe?
Eben weil Bitterstoffe so rar sind, müssen wir sie gezielt in unseren Speiseplan integrieren. Dein Körper wird es dir danken, auch wenn du dich vielleicht erst an das sogenannte adstringierende „zusammenziehende” Gefühl gewöhnen musst.

Resümierend ist die alte Volksweisheit „Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund” das, was wir uns beim Einkauf und der Essenszubereitung bewusst machen sollten. Durch den Verzehr von Chicorée, Rauke und Co. ziehen wir nicht nur rechtzeitig die oftmals viel zu lockere Appetitbremse. Diese feinen Bitternuancen gehören auch zu einer Geschmackspalette, die uns bereits abhanden gekommen ist. Wir sollten sie wiederentdecken und alle Facetten unseres Geschmacks auskosten – der eigenen Gesundheit zur Liebe.