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Patrik Baboumian – „Ich sollte bald eine große Überraschung erleben.“

© Deftigman Obscura

Patrik Baboumian wurde einst als Vegetarier zum “Stärksten Mann Deutschlands” gekürt. Danach folgte für ihn der vegane Lebenswandel. Für uns stand der Kraftsportler, der im Januar 2014 zusammen mit seiner Verlobten das Buch “VEGAN ganz anders” auf den Markt gebracht hat, für ein Interview bereit. Uns interessierte dabei vor allem das Thema Sport und vegan.

Lieber Patrik,

du hast deine Wurzeln im Iran. Dort gehört Fleisch traditionell auf den Speiseplan. Du hast dich aber 2005 gegen Fleisch und ab 2011 gänzlich gegen tierische Produkte entschieden. Gab es hierfür einen bestimmten Auslöser?

Wenn ich an persische Küche denke, dann verbinde ich damit leckeren Reis und die verschiedenen Eintöpfe wie beispielsweise Khoreshd. Bei den Eintöpfen ist zwar oft Fleisch dabei, jedoch kann man es in der Regel problemlos weglassen, ohne dass sich am kulinarischen Genuss etwas gravierend verändern würde.

Der Auslöser für meinen Umstieg auf eine fleischfreie Ernährung war eine kritische Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass ich schon seit meiner Kindheit sehr mitfühlend mit Tieren war, aber dennoch täglich Fleisch konsumierte, ohne über die Konsequenzen dieses Verhaltens nachzudenken. Einen externen Auslöser gab es da nicht. Ich erkannte einfach, dass es keinen Sinn macht einen Raben, Kaulquappen und Igel zu retten, Hunde zu lieben und Hähnchen zu essen. Und da ich ein ziemlich konsequenter Mensch bin, setzte ich diese Erkenntnis in die Tat um und hörte auf Tiere zu essen. Jahre später wurde mir dann klar, dass, wenn man Tierleid vermeiden will, der Verzicht auf Fleisch nicht ausreicht. Wenn man sich anschaut, wie Eier und Milch „produziert“ werden, dann wird einem schnell klar, dass aus ethischen Gesichtspunkten eine vegetarische Lebensweise nur einen kleinen Teil des eigentlichen Problems löst.

Was passiert mit dem Kalb, dass erst geboren werden muss, damit die Kuh Milch gibt? Was ist mit den männlichen Küken, die in der Zucht von Legehennen täglich tausendfach im Schredder landen?

Je mehr man sich mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt, desto mehr begreift man, dass es keine wirkliche Alternative zur Boykottierung der Tierindustrie gibt. Das klingt jetzt vielleicht ziemlich militant, ist es aber überhaupt nicht. Ich will auch nicht, dass der Milchbauer verhungert. Ich will durch meine Entscheidung lediglich dazu beitragen, dass weniger Bedarf an Produkten besteht, deren Herstellung ich als barbarisch empfinde. Ich möchte vielmehr einen Bedarf an alternativen Produkten begünstigen.

2011 wurdest du als “Stärkster Mann Deutschlands” ausgezeichnet und Werbegesicht für die PETA. Was bedeutete das für dich?

Der Titelgewinn war der Startschuss meiner Öffentlichkeitsarbeit für eine vegane Lebensweise. Er versetzte mich – damals noch als Vegetarier – in die Lage einer Vorbildfunktion für andere Sportler, indem ich zeigte, dass es nicht nötig ist Fleisch zu essen, um Kraft aufzubauen. Da ich aber zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass es inkonsequent von mir war, Milchprodukte und andere Erzeugnisse tierischen Ursprungs zu konsumieren, fasste ich trotz gewisser Befürchtungen den Entschluss, mich komplett vegan zu ernähren. Ich hatte etwas Bedenken, ob ich es überhaupt auf Dauer schaffen würde auf Milchprodukte, die einen Eckpfeiler meiner damaligen Ernährung darstellten, zu verzichten. Auch war ich etwas unsicher, ob sich meine Leistung ohne Milchprodukte als Proteinquelle halten lassen würde.

Ich sollte bald eine große Überraschung erleben.

Zum einen viel es mir nach wenigen Wochen schon sehr leicht auf die gewohnten Kuhmilchprodukte wie Quark, Molke usw. zu verzichten, zum anderen fühlte ich mich plötzlich viel besser als zuvor. Ich war weniger übersäuert und mein chronisches Sodbrennen verschwand schon bald. Ebenso mein Eisenmangel.

Was empfiehlst du Veganern, wenn sie an Muskelmasse, aber nicht groß an Gewicht zunehmen wollen?

Das gleiche, was ich auch einem Nicht-Veganer empfehle: die Kalorienaufnahme kontrollieren, um das Gewicht in Balance zu halten und auf eine ausreichende Proteinversorgung zu achten. Eine Low-Carb-Diät gestaltet sich vegan etwas schwieriger. Da ich selbst aber kein Fan von einer sehr kohlenhydratarmen Ernährung bin, ist das soweit kein Problem. Training spielt natürlich auch noch eine kleine Rolle ;)

Ist Muskelaufbau bei Veganern schwieriger?

Nein, im Gegenteil. Viele Nachteile einer typischen Kraftsportlerernährung, wie die starke Übersäuerung des Körpers, werden durch eine vegane Ernährungsform vermieden. Der einzige Nachteil ist, dass man sich initial ein wenig mit dem Thema Ernährung befassen muss, aber das ist eigentlich auch eher ein Vorteil.

Was nimmst du vor und nach dem Sport an Nahrung zu dir?

Vor dem Sport gibt es einen Protein-Shake aus Erbsen und Reis in Wasser gelöst, um den Körper mit Proteinen zu versorgen, ohne ihn mit einer „echten“ Mahlzeit zu belasten. Auf Kohlenhydrate verzichte ich vor dem Training, um meinen Energielevel nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nach dem Training gibt es dann einen Smoothie mit vielen schnellen Kohlenhydraten aus Obst. Auch hier gebe ich etwas Proteinpulver dazu.

Welche Mengen musst du täglich essen, damit du deinen Bedarf deckst?

Mittlerweile reichen mir 4000 Kalorien, um mein Gewicht von 120kg und meine Leistung konstant zu halten.

Wie sieht dein Alltag als Profi-Kraftsportler aus?

Keine Ahnung. Ich glaube mein Alltag hat wenig mit dem zu tun wie andere Kraftsportler ihren Tag gestalten. Ich bin ja neben dem Sport auch viel in Sachen Aufklärung über den veganen Lebensstil unterwegs und seit 2008 mit einer kleinen Multimedia- und Consulting-Firma selbstständig. Die letzten Monate waren stark von der Arbeit meines Buchs „VEGAN ganz anders“, das ich zusammen mit meiner Verlobten geschrieben und im Eigenverlag veröffentlicht habe, geprägt. Jetzt fange ich gerade langsam an, mich wieder mehr auf mein Training zu konzentrieren. Meine Freizeit verbringe ich derzeit am liebsten mit Gartenarbeit, die mich entspannt und entschleunigt. Das tut mir sehr gut.

Wie hat sich die vegane Ernährung auf deine Kraft ausgewirkt? Welche Veränderungen hast du bemerkt?

Meine Leistungen sind nach dem Wechsel konstant gestiegen. Ich konnte im ersten veganen Jahr zwei Weltrekorde und einen Europameistertitel holen. Im zweiten Jahr holte ich mir dann in Toronto meinen dritten Weltrekord. Was aber noch wichtiger ist, ist, dass mein Wohlbefinden sich signifikant gebessert hat. Ich bin weniger übersäuert, erhole mich schneller vom Training und habe weniger Gelenkbeschwerden, weil eine Linderung der Übersäuerung auch hilft, entzündliche Prozesse im Körper zu minimieren.

Kannst du eine Einschätzung geben, wie viele Veganer es in der Kraftsportszene gibt? Wie ist die Tendenz? Sinkend? Steigend?

Allgemein sind Veganer im Kraftsport wie auch in der Gesellschaft eine Minderheit. Die Tendenz ist aber gerade bei jungen Athleten klar steigend.

Und zum Abschluss: Welches Gericht könntest du tagtäglich zu dir nehmen?

Knusprig paniertes Tofu mit süßsaurer Soße und Reis, aber auch viele andere Sachen. Ich esse generell gern und viel :)

Herzlichen Dank für das informative Interview!

„Vegan ganz anders“ © Patrik Baboumian & Katy Statetzny

Das Buch “VEGAN ganz anders”  und weitere Artikel findet ihr im Vaggressive Online-Shop.

Und wer sich wie wir von Patrik Baboumian begeistern lassen hat, für die lohnt sich ein Blick auf seine Facebook-Fanpage.