SuperVeganer

Den Grillabend meistern – eine vegane Herausforderung?

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Dieser Tage flattern die Grilleinladungen ins Haus – für Veganer und Vegetarier heißt es die Tofuwürstchen und Gemüsespießchen zu zücken. Und überhaupt gut gewappnet zu sein: denn wo ein Grill steht, da lauert meist auch der vermeintliche Archetyp vom Jäger und Sammler, ein Bild, das ja gerne verwendet wird, um konventionelles Ernährungsverhalten zu erklären, so überaltert und falsch es auch sein mag.

Gerade wer frisch umgestiegen ist und auf Fleisch, Fisch und Käse verzichtet, wird beim Outdoor-Event in Fragen der diplomatischen Abgrenzung auf die Probe gestellt. Denn die Konventionen sind stark. Da gilt es, Familientraditionen zu brechen, im neuen Kollegium zu bestehen oder den Fußballfreunden locker zu verklickern, dass die Freundschaft einem lieb und teuer ist, auch wenn die aufopferungsvolle Rolle des Grillmeisters abgelehnt wird.

Erschwerend hinzu kommt, dass der Wurst in der deutschen Esskultur mit der großen Vielfalt und langen Tradition eine besondere Rolle zukommt – was den Schweizern ihr Käse, ist den Deutschen die Wurst. Zahlreiche Redewendungen dokumentieren die Alltagsrelevanz wie „Ist mir Wurst“, „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ oder die „beleidigte Leberwurst“. In Berlin wird das Imagemarketing dann auf touristischen Flyern ungefähr so kommuniziert: „Eat a Wurst! Get the real Berlin-feeling!“. Bekanntermaßen sollte man aber nicht allen Marketingversprechen glauben, ich empfehle übrigens gerne eine Reise in die Gegenwart statt ins Wirtschaftswunder-Wurstland. Auf der Suche nach urbaner Kultur finden sich dann aktuellere Lebensstilmodelle wie Life of Health and Sustainability (LOHAS). Passend dazu sprießen zahlreiche vegane Läden aus dem Boden: friedlich, nachhaltig, gesund, lecker.

Auch wenn immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan leben, Mainstream ist das noch nicht. Wer also Tofu-, Seitan- oder Weizeneiweißwürstchen zum Grillevent mitbringt, kann sich, je nach sozialem Umfeld, auf eine breite Reaktionspalette – Würstchen wird neidisch beäugt, tolerant aufgenommen, mild belächelt oder offen angefeindet – einstellen. Allein die Präsenz der veganen Wurst kann zum unausgesprochenen Vorwurf werden, da sind impulsive unaufgeforderte Rechtfertigungen gar nicht weit, ganz vorne dabei: „Das schmeckt doch so gut“. Ein kurz erwiderter Hinweis darauf, dass das gustatorische Empfinden wandelbar ist und ein lapidares „Das Spiel gewinnt man im Kopf“ helfen hier weiter. Häufig gibt es auch Diskussionen zum Thema „Schmeckt wie Fleisch“: Historisch ein spannender Aspekt und die Möglichkeit, mit Großmutter und -vater freundliche zugewandte Gespräche über unterschiedliche Assoziationen zu führen. Für jene Generation, die die Kriegs- oder Nachkriegszeiten erlebt hat, stellen solche Lebensmittel nämlich ungeliebte Ersatzprodukte dar. Diese sind ebenso unter dem Schlagwort Surrogate bekannt, hierzu zählt übrigens auch Margarine, die bereits im 19. Jahrhundert als günstige Marschverpflegung in Frankreich erfunden und eingesetzt wurde.

Unangefochten im Speisekanon sind hingegen leckeres Obst und Gemüse, da denkt niemand an Mangel und die gesundheitliche Pole-Position ist eh gesichert. Für den Grill eignet sich von A wie Artischocke bis Z wie Zwiebel eigentlich fast alles, allerdings muss auf die jeweilige Eigenart geachtet werden. Wenn es direkt auf den Grill gehen soll, ölt das Gemüse vorher dünn ein, im Gegensatz zu Fleisch enthält Gemüse ja selten Fett. Noch besser gelingt es, wenn ihr es vorher mariniert. Die Grillzeiten variieren nicht nur je nach Größe, Form und Konsistenz, sondern auch nach der Platzierung auf dem Grill, das versteht sich ja von selbst, dass es direkt über der Glut am heißesten ist. Gemüse, das wenig Wasser enthält, könnt ihr auch vorkochen oder eben kleinschneiden, marinieren und grillgerecht verpacken, besonders hübsch z.B. in Bananenblättern, aber Alufolie tut es auch. Auch manche vegane Würste müssen vor dem Grillen noch eingeölt werden, damit sie nicht zu trocken werden. Und wenn’s dann ab auf die Wiese geht: immer schön die Kühlkette einhalten, denn durch den hohen Einweißgehalt sind Soja & Co. leicht verderblich.

Und noch ein praxisnaher Verhaltenstipp: Wer zwischen den Rauchschwaden wenig Begeisterung für grundsätzliche Diskussionen aufbringt oder sein Gegenüber von potentiellem Rechtfertigungsdruck befreien will, der wechselt rasant-galant den Diskurs. Eine Wurst-Wortspiel-Steilvorlage dafür bietet die großartige Siegerin des  Eurovision-Song-Contest, unangefochten an der Spitze: „Conchita, 12 points!“