SuperVeganer

Wir stellen vor – Ilja Lauber, Autorin von „Kick it vegan!“

© Arnold Pöschl

Ilja Lauber ist in der veganen Szene schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr. Auch sie selbst hat in ihrem neuen Buch “Kick it vegan!” so einige Seiten beschrieben, um die Menschen über vegane Ernährung und Fitness zu informieren. Bereits seit 2007 ist die Allrounderin auch im Netz sehr aktiv. Sie führt einen Blog, ein Forum, einen Fotoblog und einen Merchandising Shop mit ihren eigenen Artikeln. Bei all ihren Aktivitäten legt Ilja großen Wert darauf, nicht belehrend aufzutreten, sondern durch positives Vorleben Interesse zu wecken und zu überzeugen.

Ilja, bei allem was deine Handschrift trägt, ist unschwer zu erkennen, dass du dich sehr intensiv mit der veganen Lebenseinstellung auseinander gesetzt hast und wie fest sie in deinem Leben integriert ist. Bereits im Alter von sechzehn Jahren hast du dich für die vegane Ernährung entschlossen. Warum? Und was gibt dir diese Lebenseinstellung seither?

Ich bin schon immer sehr tierlieb gewesen und mit ökologischem Bewusstsein erzogen worden. Da war es naheliegend, dass ich irgendwann in der Grundschule, als mir die Zusammenhänge klargeworden sind, angefangen habe, mich nach und nach dem Vegetarisumus zuzuwenden – dem Vorbild meiner Mutter folgend. Und als mir später die weitere Sachlage bewusst gemacht wurde (durch einen Typ, in den ich in der Zeit verknallt war), war der Schritt zum Veganismus die logische Konsequenz.

Veganismus ist ein zentraler Punkt meines Lebens, da ziemlich weit oben auf meiner Agenda der anzustrebenden Dinge steht, ein guter Mensch zu sein. Und dazu gehört für mich, sich für die Schwächsten, die mit den wenigsten Rechten und dem geringsten eingeräumten Wert in der Gesellschaft einzusetzen. Und das gibt mir ein ‚richtiges‘ Gefühl. Natürlich ist auch viel Verzweiflung, Horror, Wut und Trauer damit verbunden, wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt. Aber gerade in der jüngsten Vergangenheit ist auch ein sehr kraftvolles Gefühl präsent, weil mir ganz schwindelig wird, wie viel in Sachen Veganismus in der breiten Gesellschaft im Moment in Bewegung kommt.

Du erklärst, dass du nicht offensiv vorgehen möchtest, um deine veganen Botschaften zu verbreiten. Wie ist die Resonanz auf den von dir gewählten Weg, durch positives Vorleben Interesse zu wecken?

Ich verfolge im Alltag ja sozusagen eine passiv-aggressive Form, wie ich meinen Veganismus nach Außen trage. Das sieht so aus, dass ich eigentlich immer ziemlich umfassend mit Vegan-Merch bestückt bin – Shirts, Hoodies, Trainingsshirts, Pins – aber von mir aus das Thema praktisch überhaupt nicht anspreche, wenn es nicht unbedingt notwendig ist und auch auf die üblichen oberflächlichen Nachfragen nur sehr kurz angebunden eingehe. Aber ich lebe Veganismus mit einer großen Selbstverständlichkeit vor (und über etwas, das ganz selbstverständlich ist, redet man normalerweise ja auch nicht die ganze Zeit). Es ist mir aber sehr wichtig, nicht diesen Beschwichtigungs-Kurs zu fahren, den ich leider bei VeganerInnen öfter bemerke – also diese Beteuerungen gegenüber Omnis, dass man es ja ablehne zu missionieren und es jedermanns Privatsache sei, was er oder sie esse und was nicht (ist es nämlich nicht). Oder Zustimmung gegenüber den üblichen Geschichten, dass Massentierhaltung ja ablehnenswert wäre, es ja aber doch schon ok ist, wenn man einmal in der Woche sein Schnitzel oder seine Milch vom Biobauern holt (ist es auch nicht und macht sowieso kaum jemand so).

Das Bewusstsein, dass man als VeganerIn gewissermaßen repräsentative Pflichten zu erfüllen hat, ist für mich auch ein besonderes Motivations-Moment, z.B. bei Feierlichkeiten besonders leckeres Essen aufzufahren oder beim Sport Vollgas zu geben.

Meine Erfahrung mit diesem Weg ist gut. Klar muss ich mir trotzdem immer mal blödes Gelaber anhören oder besonders „witzige“ Kalauer. Aber bei Betriebsfeiern machen mir die KollegInnen oft etwas separates Veganes, ebenso die Köchin auf der Arbeit, bei Trainer-Essen wird akzeptiert, dass die Restaurantauswahl so getroffen werden muss, dass ich auch was essen kann… Da wird mir immer warm ums Herz – Liebe geht bekanntlich durch den Magen.

Seit Oktober ist dein Buch “Kick it vegan!” erhältlich. Was hat dich dazu bewegt ein Buch zu schreiben?

Mehrere Personen haben mir vorgeschlagen, ich soll doch mal ein Kochbuch machen – da ich schon seit Ewigkeiten Veganerin bin und gern koche und backe und auch seit einer ganzen Weile darüber blogge, bot sich das ja auch irgendwie an. Nach erster Kontaktaufnahme mit einem kleinen veganen Verlag wurde mir aber gesagt, dass es mittlerweile eine solche Schwemme an veganen Kochbüchern gibt, dass es da schon etwas spezifischere brauchen würde, um sich von der Masse abzuheben. Nach einiger Hin- und Herüberlegerei und -gebrainstorme war dann – Dank der Impulse und Vorschläge einiger meiner Board-User – das Konzept klar: das Besondere sollte der Fitnessbezug sein. Und weil mich der allgegenwärtige Diät-Imperativ nervt und ich weiß, dass es auch Menschen gibt, die vielmehr zunehmen oder eben Muskeln aufbauen wollen, werden diese beiden Aspekte, zusätzlich zum Abnehmen gleichrangig im Buch behandelt.

Du selbst bezeichnest dein Buch als dein Baby und sprichst von einer Schwangerschaft mit Komplikationen. Wie genau müssen wir uns diese Komplikationen vorstellen?

Es war wirklich ein Auf und Ab der Gefühle – von überschäumender Euphorie bis zur totalen Verzweiflung war alles dabei. Aber meine Mutter hat immer gesagt: „Das ist alles ganz normal in einer Schwangerschaft.“ Sie bezeichnet sich jetzt übrigens als stolze Großmutter eines Buchs.

„Kick it vegan!“ ist beim NeunZehn-Verlag erschienen.

Es war eben auch ein ziemliches Hin und Her bis der Verlag und ich uns auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten. Hinzu kam der enorme Aufwand des Rezeptekreierens, die Recherchiererei für den Theorieteil, Nährwerttabellen ausrechnen, Texte verfassen, Umkonzeptionieren, neu Gliedern… Und das ganze neben meiner Teilzeit-Arbeit und meiner Tätigkeit als Kampfsportverein-Vorstand und -Trainerin.

Ich bin eben auch wahnsinnig perfektionistisch und will alles 150 Prozent – da habe ich mich ziemlich ausgebrannt, wie das so meine Art ist.

Aber umso größer ist jetzt natürlich der Stolz und die Freude, wo es endlich da ist und ich so unglaublich tolles und oft berührendes Feedback bekomme – das war es auf jeden Fall wert.

Was unterscheidet dein Fitness-Kochbuch von den herkömmlichen veganen Kochbüchern?

Es ist ja nicht nur ein Kochbuch, sondern gleichzeitig auch ein Fitness- und Ernährungs-Ratgeber. Mein Ansatz ist dabei, nicht vorgefertigte, starre Programme und Vorschriften vorzugeben, die es zu befolgen gilt, sondern sehr individuell zu gucken, was man selber für ein Typ ist, wo man steht, wo man hin will, welche Ressourcen man hat und aufgrund dessen dann angeleitet wird, sich eine maßgeschneiderte Marschroute zu erstellen. So sind die Chancen dann viel größer, dass man auch dauerhaft bei der Stange bleibt. Menschen sind nun mal nicht nach DIN-Norm geformt.

Eine weitere Besonderheit ist außerdem, dass es nicht nur ums Abnehmen und Muskeln aufbauen geht, sondern explizit auch dem Schlag Personen hilft, die Probleme beim Zunehmen haben. Die fallen bei den ganzen Ernährungsratgebern nämlich hintenüber.

Nährwerttabellen zu jedem Rezept – und zwar jeweils mit Angaben zu der Gesamtmenge, einer Portion und 100g – gibt es in dem mir bekannten veganen Kochbüchern auch nicht.

Haben Sportler, die sich vegan ernähren, einen Nachteil gegenüber Sportlern, die auf Produkte mit tierischen Bestandteilen zurückgreifen können?

Nicht notwendigerweise. Klar schließt man einen sehr großen Bereich aus dem Nahrungsmittelspektrum komplett aus. Da muss man unter Umständen schon ein bisschen genauer gucken, damit man auf seine Nährstoffe kommt (je extremer bzw. professioneller man seinen Sport betreibt, desto mehr). Pflanzliches Eiweiß hat im Schnitt z.B. eine deutlich geringere biologische Wertigkeit als tierisches, das heißt, letzteres kann besser in Muskelmasse & Co. umgebaut werden. Auch pflanzliche Omega-3-Fettsäuren sind nicht so effizient verarbeitbar wie die aus tierischen Quellen. Aber wenn man darauf achtet, was man isst (sowieso immer eine gute Idee), kann man das gut kompensieren.

© Marlin Oeing

Wer da Zweifel hat, braucht sich bloß die erfolgreichen veganen Beaster im Bodybuilding, Kraftsport, Triathlon, Marathon usw. angucken. Da hat das Camp Vegan ja mittlerweile einiges vorzuweisen und das ist ganz großartig – Leistung sagt mehr als tausend Worte.

Du kannst aus einem langjährigen Erfahrungsschatz schöpfen und hast viel Resonanz auf deine Veröffentlichungen bekommen. Was würdest du Menschen raten, die ihre Lebenseinstellung vegan ändern möchten?

Das wichtigste: Das eigene Tempo finden. Erfahrungsgemäß gibt es die Schlusspunkt-Menschen und die Prozess-Menschen. Egal ob es darum geht mit dem Rauchen aufzuhören, Diät zu machen oder vegan zu werden – für die einen funktioniert es am besten einen harten Cut zu machen und danach auch keine Ausnahmen oder Kompromisse mehr zuzulassen und für die anderen (wie z.B. mich) muss es in einem fließenden, sanften Übergang nach und nach passieren. Beides ist in Ordnung.

Ein weiterer Tipp: Sich nicht überfordern und entmutigen lassen. Erst denkt man vielleicht, „Joah, auf Milchprodukte, Fleisch und Eier verzichten – das könnte ich mir vorstellen!“ Und dann befasst man sich mit der Materie und erfährt von Gelatine im Fruchtsaft, Fischblase in der Essigproduktion, Läusepampe im Lippenstift, Schafswollfett in der Margarineherstellung, für Palmöl ermordete Orang Utans usw. usf. Und schon hat man das Gefühl, dass man wirklich gar nichts mehr kaufen bzw. konsumieren darf – und schmeißt das ganze Vorhaben dann möglicherweise frustriert gleich wieder hin. Damit ist aber niemandem geholfen. Also: Ruhe bewahren und ohne Stress eins nach dem anderen angehen. Z.B. kann man es ja so handhaben, fürs erste nur laut Zutatenliste vegane Produkte zu verwenden. Oder nur bei Nahrungsmitteln auf pflanzlichen Ursprung zu achten. Wenn man in dem einen Bereich heimisch ist und eine gewisse Routine etabliert hat, kann man sich dann dem nächsten Step zuwenden. Eins nach dem anderen.

Und eine abschließende Empfehlung: Sich nicht von Leuten volltexten lassen. Nicht von Omnis, die sich durch die bloße Anwesenheit einer veganen Person schon auf den Schlips getreten und „missioniert“ fühlen und auch nicht von 200%-VeganerInnen mit selbstgerechtem Profilierungsbedürfnis. Merke: Egal wie vegan man ist – für die einen wird man immer der extreme Spinner sein und für die anderen der inkonsequente Heuchler.

Ich habe hierzu mal ein Tutorial verfasst – in 11 Schritten zum Veganer bzw. zur Veganerin.

Deine Inhalte sind stets sehr aufwendig aufbereitet. Wie viele Stunden sind wöchentlich nötig, um deine Vernetzung im Internet zu pflegen und was ist deine Motivation hinter dem Engagement?

Hm – das kann ich wirklich überhaupt nicht sagen. Ich bin ohnehin ein „digital citizen“ und die meiste Zeit im Netz unterwegs. Nur dass ich als Rechtfertigung jetzt praktischerweise sagen kann „Ich mach Social Marketing!“.

Aber es ist schon relativ zeitintensiv. Fotos schießen, auswählen, bearbeiten, Texte verfassen, Kommentare, Mails und PNs von Followern und LeserInnen beantworten, in den Backends herumschrauben, damit alles gut aussieht und funktioniert, wie ich mir das vorstelle, Moderation und Administration, Grafik- und Shirtdesigns basteln, um Promo-Geschichten kümmern… Andere gehen auf Demos und Kundgebungen oder machen Infostände oder Befreiungsaktionen und mein Play- und Battleground ist eben das Netz. (das ist das Schöne: für jede/n, der oder die aktiv werden möchte, gibt es eine passende Aktionsform)

© Ilja Lauber

Die Motivation dahinter ist ganz klar: Die Sache voranbringen. Ich bin, als Teil einer Bewegung, auf einer Mission und werfe in die Wagschale, was ich hab. Auch wenn ich natürlich nur über einen begrenzten Einflussradius verfüge – aber sowas darf einen nicht abhalten.

Ein schöner Nebeneffekt bei dem Ganzen ist, dass man wirklich viele wirklich tolle Menschen kennenlernt, sowohl ihm virtuellen als auch im analogen Raum.

Liebe Ilja, wie würdest du als Expertin die Veränderungen der veganen Szene in der Zukunft einschätzen.

Was sich ja seit einer ganzen Weile schon abzeichnet, ist die Zunahme der sogenannten Lifestyle-VeganerInnen. Also die, deren primäres Motiv nicht die Vermeidung von Tierleid und ökologischen Schäden ist, sondern ihre persönliche Gesundheit, Aussehen und Fitness. Das wird vermutlich noch weiter zunehmen. Meine Hoffnung ist aber, dass diese Leute vielleicht auf diesem Weg auch einen Zugang zu dem ethischen und ökologischen Aspekt bekommen.

Insgesamt denke ich, dass die Grenzen zwischen den Ernährungslagern weiter verschwimmen werden – Stichwort „TeilzeitveganerInnen“ und „FlexitarierInnen“ (Bezeichnungen, die szeneintern ja eher kritisch gesehen werden, vorsichtig ausgedrückt). Mir begegnen gerade im Rahmen meiner Buchveröffentlichung immer mehr Menschen, die sagen, dass sie sich nicht vorstellen können, ganz auf Fleisch bzw. Tierprodukte zu verzichten, aber es zumindest mal für einen Monat versuchen wollen oder insgesamt verstärkt zu pflanzlicher Ernährung tendieren, nur eben ohne den Anspruch oder das Ziel der vollständigen Umstellung.

Es ist für mich nicht akzeptabel Tierprodukte zu konsumieren, auch wenn es nur gelegentlich ist, aber trotzdem sehe ich so eine Entwicklung erst einmal positiv. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und von da aus die mentale und praktische Hürde – doch ganz ins vegane Lager überzutreten – ja bei weitem nicht mehr so hoch.

Schön finde ich auch, dass der Veganer es mittlerweile ziemlich gut aus seiner Klischee-Schublade raus geschafft hat und die Szene so vielfältig und bunt geworden ist – vom Öko-Hippie über den Health-Hipster, über den Extremsport-Freak bis zur militanten Tierrechtsfraktion ist alles dabei und das ist ausgezeichnet.

Du selbst leitest schon sehr erfolgreichen deinen Blog. Auch dein Forum zählt zu den größten veganen Foren in Deutschland. Dein Buch profitiert bei Amazon durch positive Rezensionen der Leser. Was sind deine Ziele in der Zukunft und wie sehen deine Pläne aus, um diese zu erreichen.

“Kick it #vegan! – Buchautorin Ilja Lauber im Interview.“

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Ich sehe es gerade ein bisschen so wie ein spannendes Spiel zu gucken, wie ich mit meinem Buch und auch meinen anderen Projekten eine möglichst große Reichweite erlangen kann. Das reizt mich aus persönlichem Ehrgeiz, aber natürlich auch, weil es um eine so wichtige und dringliche Sache geht. Da ich nebenher noch meinen regulären Teilzeitjob habe, kann ich das locker angehen lassen und muss mich im Zweifel nicht verbiegen oder gar meine Ideale verkaufen, weil ich Angst habe, dass mein Kühlschrank im nächsten Monat leer ist oder ich meine Miete nicht bezahlen kann. Diese unabhängige Ausgangsbasis ist mir wichtig. Trotzdem habe ich nichts dagegen, ein bisschen zu expandieren. Im letzten halben Jahr hat z.B. meine T-Shirt-Linie vegan.with.attitude die Hälfte meiner nicht gerade geringen Lebensmittel-Ausgaben finanziert. Das war schon ein großartiges Gefühl.

Ich bleib in Bewegung und bin offen für alles, was da kommt.

Es hat uns sehr gefreut, dass sich eine langjährige Expertin der veganen Szene Zeit genommen hat, um uns Rede und Antwort zu stehen. Wir bedanken uns für das interessante Interview und wünschen dir weiterhin viel Erfolg bei deinen zukünftigen Projekten.

Ich danke auch, liebe SuperVeganer.