Vorurteile, Anfeindungen und Sprüche wie „Planzen haben auch Gefühle“ gehören bei vielen Veganern zum Alltag. Wenn zumindest der Freundeskreis und die Familie keine Probleme mit der eigenen Ernährungsweise haben, dann irgendwelche Menschen in sozialen Netzwerken. Selbst in rein veganen Gruppen und auf Gemeinschaftsseiten mischen sich „Alles-Esser“ ein, die sich aus unerfindlichen Gründen gegen Veganer auflehnen und die Netiquette zur Seite legen.
Patrick von „Der Artgenosse“ hat zumindest für sich eine Lösung gefunden. Auf YouTube stellt er kurze Videos zur Verfügung, in denen er mit seinem fiktiven Charakter auf die gängigsten Vorurteile gegenüber Veganern eingeht. Er selbst beschreibt sich dabei als „ein extremistisch militanter Scheiß-Sojafresser-Gutmensch-Öko-Veganazi, der seine überheblichen Klugscheißereien auf Video aufzeichnet und damit aus purer Geltungssucht Menschen im Internet belästigt“.
Für uns ist Patrick schon heute einer unserer Web-TV-Lieblinge, da er auf anschauliche und angenehme Art und Weise aufklärt, selbst dann, wenn er hin und wieder die Alles-Esser auf den Arm nimmt.
Lieber Patrick,
Wer steckt hinter „Der Artgenosse“?
Mein Name ist Patrick. Beruflich bin ich Designer. Im Design ist mir vor allem Ökologie und Nachhaltigkeit ein Anliegen. Allerdings arbeite ich seit Abschluss meines Studiums an einer Hochschule und bin derzeit nicht aktiv als Produktgestalter unterwegs. Ich bin seit geraumer Zeit Tierrechtler und ethisch motivierter Veganer. Ich bin ein Nerd. Philosophie hat bei mir einen sehr hohen Stellenwert. Ich bin ein Typ, der in seinen Fotoapparat spricht.
Auf YouTube hast du deinen eigenen Channel und produzierst Web-TV. Wie ist das Ganze entstanden?
Soziale Interaktionen finden heute zu einem beträchtlichen Teil online statt. So natürlich auch Debatten, wie etwa solche, bei denen es um Veganismus und verwandte Themen geht. Man muss gar nicht lange in der Materie stecken, um zu bemerken, dass sich viele Argumente immer wieder aufs Neue wiederholen. Vieles besteht dabei leider aus Plattitüden, Stammtischparolen und sehr unreflektierten Anschuldigungen, Unterstellungen und nicht wenigen vorsätzlichen Beleidigungen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es viel aufwändiger ist, sachlich auf Totschlagargumente zu antworten als diese von sich zu geben. Um nicht immer wieder das gleiche zu schreiben, habe ich beschlossen, Videos zu den immer wiederkehrenden Aussagen zu machen, die man dann einfach nur als Antwort posten kann. Auch in der Hoffnung, anderen damit Zeit und Mühe zu ersparen.
Was ist das Besondere an „Der Artgenosse“?
Einen derartigen Videokanal gab es bisher noch nicht, weshalb ich mich notgedrungen dazu veranlasst sah, es mal vor der Kamera zu versuchen, obwohl ich eigentlich viel lieber dahinter stehe. Ich versuche den Videos im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten auch einen möglichst professionellen Look zu geben und nicht nur einfach im Wohnzimmer spontan zu erzählen, was mir gerade einfällt und mich dabei zu filmen. Ich versuche die Videos visuell stark zu reduzieren und vom Stil her sehr konsequent zu halten. Trotzdem versuche ich es immer mal wieder mit kleinen Änderungen und Verbesserungen und prüfe, ob die ankommen. Im Laufe der Zeit stellte sich zudem heraus, dass aber noch andere Medien für mich sinnvoll sind. So schreibe ich auch immer wieder Texte, die für mich deutlich weniger Aufwand bedeuten. Ich habe neuerdings auch damit begonnen, Comics zu erstellen und ich war von der positiven Resonanz darauf sehr überrascht. Ich plane deshalb auch, einen Blog anzulegen, wo ich alle diese Dinge außerhalb von Facebook und YouTube bündeln kann. Ob das jetzt alles was “Besonderes” ist, kann ich nicht beurteilen.
Bei SuperVeganer, wie auch auf anderen Seiten über eine vegane Lebensweise, gibt es immer wieder Menschen, die die Etikette vergessen. Erst neulich wurde uns unter einem Facebook-Beitrag nach etwas unangenehmen Äußerungen eine Schweinehaxe gepostet. Wie gehst du in solchen Fällen um? Schenke uns hierfür doch eine Weisheit, wie man mit Menschen, die so auftreten, umgehen soll.
Im Internet ist man recht anonym. Das führt dazu, dass viele Menschen in Diskussionen „mutig“ werden und ihrer angestauten Wut Ausdruck verleihen. Gerade Veganismus ist ein Thema, das sehr polarisiert. Als Veganer ist man ein wandelnder Vorwurf, sozusagen eine Art personifiziertes, schlechtes Gewissen. Vielen Menschen ist unterbewusst irgendwo klar, dass das Verursachen von Tierleid unethisch ist. Nicht umsonst ist wohl eine der häufigsten Aussagen von Nichtveganern: „Gegen Massentierhaltung bin ich natürlich auch, aber…“. Menschen möchten gern ein positives Selbstbild von sich haben, aber unsere Überzeugungen sind oft sehr widersprüchlich, willkürlich und bizarr, und wenn dann jemand, und sei es durch seine bloße Existenz, aufzeigt, dass die Handlungen mit dem eigenen Anspruch nicht übereinstimmen und es auch anders geht, verursacht das sehr unangenehme Störgefühle, die man aufzulösen versucht, oftmals eben durch Anfeindungen der “Auslöser”. Da Emotionen aber eben per Definition schon nicht rational sind, sind es auch sehr häufig irrationale Reaktionen wie Anfeindungen, Unterstellungen, Beleidigungen oder eben hämische Provokationen, die nur verletzen und dadurch Befriedigung verschaffen sollen. Auf der anderen Seite gibt man sich hochgradig beleidigt und über die „fanatischen“ Veganer empört, wenn jene auch nur sachlich Handlungen als Unrecht kritisieren. Da wird mit zweierlei Maß gemessen.
Wie soll man nun damit umgehen?
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es wohl meist nicht leicht ist, mit derlei Provokationen sinnvoll umzugehen. Internettrollen ist nicht an sachlicher Auseinandersetzung gelegen und auch “normalen” Menschen, die sich in ihre Abneigungen hineinsteigern, sind kaum noch zugänglich für Argumente. Solche Menschen wird man nicht überzeugen – dessen sollte man sich bewusst sein. Man sollte daher auch überlegen, ob man ihnen eine Plattform bieten sollte. Ökonomisch sein! Nicht alle Kämpfe sind es wert, sie auszutragen. Ansonsten sollte man sich auch nicht zu viel Zeit und Energie rauben lassen und diese sinnvoller einsetzen.
Meine Tipps, an denen ich mich mal mehr und mal weniger erfolgreich zu halten versuche: Nicht provozieren lassen und selbst bei noch so überheblich vorgetragenem Unsinn sachlich bleiben. Nicht persönlich werden, Sarkasmus möglichst vermeiden, sich in den anderen hineinversetzen und das auch deutlich machen und dasselbe vom Gegenüber fordern. Man sollte vor allem auch an Mitlesende denken, und wenn man sachlich bleibt, erweisen hämische Antivegantrolle dem Veganismus oftmals sogar einen Dienst, indem sie ihren Standpunkt bzw. Menschen, die ihn vertreten, in ein sehr unvorteilhaftes Licht rücken. Sie sind nicht die Gegner, sondern die Bühne. Und man sollte auch so argumentieren, als würde man gefilmt werden. Die „Argumente“ sind ja praktisch niemals neu. Auch wenn meine To-do-Liste noch lang ist, habe ich inzwischen schon Videos für viele der vorgebrachten Argumente. Gerade wenn man auf einen Schwall an Parolen gleich mehrere Videos hintereinander posten kann, versetzt das dem Troll nicht selten und durchaus einen Dämpfer und beendet die Argumentation oft, da viele Menschen sich einreden, dass die Argumente, die sie da verwenden, für Veganer komplett neu wären. Ich würde mich natürlich freuen, wenn die Videos anderen ebenfalls einen Nutzen bringen.
Wie können YouTube und andere Social-Media-Kanäle für die vegane Idee genutzt werden?
Das ist keine ganz leichte Frage. Social Media und Internet haben dazu geführt, dass Wissen und Informationen hierzulande inzwischen für nahezu jeden verfügbar sind. Das hat auch Nachteile, da durch diese Informationsflut auch Verschwörungstheorien und Fehlinformationen schnell und weit verbreitet werden können, aber das Potential gilt es natürlich zu nutzen. Man kommt eigentlich kaum noch daran vorbei. Es gibt nicht DIE ultimative richtige Methode, um Veganismus voranzubringen. Nicht zuletzt, weil die Menschen sehr unterschiedlich sind. Es gibt verschiedene Videoblogs, Facebook-Seiten und Gruppen, die auf ihre Art sehr gute Arbeit leisten, aber die Methoden sind dabei vielfältig und sollten den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Wenn jemand kochen kann, ist ein veganer Kochblog sicherlich eine gute Idee. Jemand der rhetorisch talentiert ist, sollte eben auf diese Art Aufklärung betreiben. Jemand der zeichnen kann, kann Comics und Kunst erstellen. Und allein schon der Erfahrungsaustausch unter Veganern ist sehr wertvoll.
Hinzu kommt dass soziale Medien, speziell Facebook, sehr gut geeignet sind, um Veranstaltungen zu planen und zu koordinieren. Vegane Facebookgruppen verzeichnen exponentielle Mitgliederzuwächse. Das ist sehr erfreulich.
Du bist sehr stark im Social Web unterwegs, da gibt es doch bestimmt einen Satz, den du nicht mehr hören kannst. Welcher wäre das?
Da gibt es so einige, aber der vielleicht nervigste dürfte der allen Veggies bekannte Uraltwitz sein: Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg.
An einer Supermarktkasse kommt es immer mal wieder vor, dass der Strichcode vom Scanner nicht sofort gelesen wird. Der übliche Kommentar der Kunden: “Das kostet nichts.” Oft vorgetragen mit einem erwartungsfrohen Gesichtsausdruck, ob der Kassierer und die Umstehenden den Gag jetzt sehr witzig, zum Schreinen komisch oder zum Totlachen finden. Wenn man den dreimal täglich hört, hält sich der Unterhaltungswert allerdings irgendwann in überschaubaren Grenzen. Und der Wegessen-Spruch ist das Äquivalent dazu. Unreflektiert, unoriginell, unkonstruktiv und leider ein Zeichen dafür, dass die Vortragenden sich weder ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben noch dass sie es vor haben, noch dass sie sich in die Position ihres Gegenüber hineinversetzen können oder wollen.
Und was gefällt dir besonders gut?
Ich freue mich immer sehr, wenn ich sehe, dass Veganer in Online-Diskussionen meine Videos verwenden und ich ihnen damit helfen konnte. Mit so einer Resonanz hätte ich nicht gerechnet.
Herzlichen Dank für deine Antworten.
Wir können nur sagen, dass wir von SuperVeganer immer wieder gerne einschalten und du unser Herz schon oft erfreut hast.
Mehr zu Patrick und zum Artgenossen findet ihr hier:
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