Quinoa im Stammlokal, Weizengrassaft aus dem Biomarkt oder Hanfsamen vom Bäckermeister – wer heute etwas auf sich und seine Gesundheit hält, der greift zum hochgepriesenen Superfood, und dafür auch gerne etwas tiefer in die Tasche. Doch die exotischen Alleskönner sind weit gereist. Wie lässt es sich mit einem ökologischen Grundgedanken vereinbaren, einerseits vorwiegend naturbelassene Zutaten einzukaufen und zugleich Goji-Beeren aus China oder Chia-Samen aus Mittelamerika in sein Müsli zu streuen? Ein Blick auf unsere heimische Lebensmittelvielfalt lohnt doppelt.
Ist Superfood wirklich super gesund?
Das Oxford English Dictionary definiert Superfood als besonders nährstoffreiche Lebensmittel, die für Gesundheit und Wohlbefinden außerordentlich förderlich sind. Der besonders hohe Nährstoffgehalt von Superfood und der gesundheitliche Nutzen ist wissenschaftlich belegt, doch die Studien wurden einerseits häufig an Tieren durchgeführt und auf der anderen Seite wurde meist unter Bedingungen im Labor geforscht, die sich stark vom alltäglichen Lebensmittelgenuss der Menschen unterscheiden.
Der ORAC-Wert, welcher mit „Oxygen Radical Absorbance Capacity” übersetzt wird, bestimmt angeblich das antioxidative Potenzial eines Lebensmittels. In Superfood soll ein besonders hoher Anteil an Antioxidantien enthalten sein, welche unter anderem die Zellalterung bremsen und freie Radikale neutralisieren.
Die Verbraucherzentrale und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellten jedoch fest, dass es sich bei diesem stark beworbenen ORAC-Wert um einen reinen Laborwert handelt. Dieser sagt demnach nichts darüber aus, wie die Stoffe wirklich in den Körper gelangen. Fest steht allein, dass Superfood definitiv gesund ist.
Ferne Herkunftsländer: Oft nicht nur für unser Klima bedenklich
Einen messbaren Grund zur Skepsis geben besonders die lange Reise und die fernen Herkunftsländer des Superfood. Die Açai-Beere stammt aus den Regenwäldern des Amazonas, Chia-Samen kommen aus Mexiko, Zentralamerika oder – wie die Goji-Beere – aus China.
Insbesondere das Superfood aus China fiel in der Vergangenheit regelmäßig durch bedenkliche Pestizidwerte auf. Das chemische Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart wies 2010 beispielsweise bei der Untersuchung von Goji-Beeren in 13 von 14 Proben bedenklich hohe Rückstände von Pestiziden nach. Auch das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit stellte in toxikologischen Untersuchungen von Obstsorten aus China einige Höchtmengenüberschreitungen fest.
In vielen Anbaugebieten gelten immer noch andere Richtwerte bezüglich des Gebrauchs von besonders aggressiven Pestiziden, sodass inzwischen 70 Prozent aller Felder, auf denen Lebensmittel für den Export angebaut werden, mit Schwermetallen oder anderen giftigen Stoffen regelrecht verseucht sind.
“Bei der Frage nach der Herkunft unseres Essens stolpern wie über #Pestizide – auch in #Superfood.“
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Immerhin gibt es einen Lichtblick für den Konsumenten: Auch die Chinesen selbst haben die gesundheitsschädliche Wirkung von Pestiziden erkannt und setzen inzwischen vermehrt auf biologischen Anbau. Die Verbraucherzentrale rät, die Schwermetallbelastung von Superfood zu umgehen und beim Kauf auf Produkte aus biologischem Anbau zu setzen.
Leinsamen und Heidelbeeren als Pendant: Gutes muss nicht teuer sein
Nach der langen Reise werden die gesunden Alleskönner mit einem regelrechten Hype begrüßt, der sich in einem hohen Preis manifestiert. Die Tasse Bio-Matcha-Tee trinkt man sicher mit besonderem Genuss, wenn 15 g des grünen Pulvers den Verbraucher rund 16 Euro kosten. Im Netz wird außerdem mit kostspieligen Açai-Beeren-Diäten und Weizengras-Vitalkuren geworben. Sicherlich weisen die bestellbaren Produkte auch einen hohen Nähr- und Vitalstoffgehalt auf, aber ihr Preis bekommt nicht jedem Portemonnaie.
Aus diesem Grund lohnt ein Blick auf die heimischen Alternativen, denn Leinsamen, Heidelbeeren oder Brokkoli stehen den populären Superfoods in nichts nach. Die Stiftung Warentest hat die trendigen Chia-Samen mit den altbewährten Leinsamen verglichen und festgehalten: Geschmacklich bestehen Unterschiede, aber von der Zusammensetzung der Nährstoffe kommen sich beide extrem nah.
Eine weitere äußerst gesunde Gemeinsamkeit betont Antje Gahl, die Pressesprecherin der DGE: Aus dem besonders hohen Gehalt der Fettsäure alpha-Linolensäure in den Samen kann der Körper gewisse Mengen Omega-3-Fettsäuren wie EPA und DHA bilden. Diese sind eigentlich nur in Fisch enthalten und deshalb für Vegetarier und Veganer besonders wertvoll.
Lokal statt global? Diese super Alternativen bietet dein „Bauer von nebenan”:
- Blaubeeren statt Açai
- Leinsamen statt Chia-Samen
- Himbeeren statt Granatapfel
- Löwenzahntee statt Matcha-Tee
- Johannisbeeren oder Himbeeren statt Goji-Beere
- Hirse, Dinkel, Grünkern statt Quinoa
- Brokkoli und Grünkohl statt Weizengras
- Sanddorn und Möhren statt Moringa oleifera
- Rote Trauben und Grünkohl statt Shisandra
“Löwenzahn statt Matcha-Tee? Nur eine heimische Alternative zum #Superfood.“
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Regional und saisonal sind die Stichworte bewusster Ernährung
Es gibt noch weitere gesunde Alternativen zum Superfood, die zu Unrecht aus der Mode gekommen sind. Unter anderem sind Zwiebelgewächse wie Porree, Schnittlauch, Knoblauch, sowie alle Kohlarten, Rettiche, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide reich an wertvollen sekundären Pflanzenstoffen, die den Blutdruck senken, die Verdauung anregen und das Immunsystem stärken.
All diese Zutaten sind ebenso gesund wie Weizengras und Co., allerdings zu einem finanziellen Bruchteil auf dem Wochen- oder im Supermarkt erhältlich. Die hiesigen Gemüse-, Obst- und Getreidesorten haben aber noch einen weiteren Vorteil: Wir können unseren eigenen Sinn für saisonales Essen zurückgewinnen oder schärfen. Was könnte außerdem besser zu dem neuen Nachhaltigkeits-Bewusstsein passen als eine vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung mit dem Guten aus der Region?
Wer dennoch nicht auf die kostspieligen Exoten verzichten möchte, der sollte beim Einkauf zumindest auf ein Fairtrade- und Bio-Siegel achten – nicht nur, um das eigene Gewissen zu beruhigen.
“#Superfood wächst auch in deiner Region. Allerdings sind Bio-Siegel beim Einkauf zu empfehlen.“
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